Gedichte

Besuch

Gelandet
auf meiner Hand
verwundert 
betracht ich den Käfer

im schwarzen Panzer
gerüstet
ein Winzling fürwahr
Rüssel und Fühler

feinste Beine
schreitet sorgsam
hebt die Flügel
ist schon fort

Adieu!


Im Bannkreis des Doms.

Hinaufsehen, dort wo die Türme den Himmel berühren
herumgehen, weil die Masse nicht faßbar ist
hineingehen mit dem Strom, der nicht abebbt
der sich verliert und klein wird gegen das Große

Wieder groß wird im Schauen, in Andacht und Staunen. 
vor den Bögen, der Höhe, vor dem allgegenwärtigen Dunkel
dem Lichtstrahl, der unvermutet kommt und über das Holz streift 
die Köpfe der Vielen erfaßt und wieder läßt 

Ganz fern die Priester mit rituellen Gesten und Gebeten 
die aufsteigen, getragen von der Macht, die die Orgel verstömt
die mischt sich mit den Gesängen und wird nicht enden
über allem das Licht, Farben, die sich finden

Eine Melodie, eine flirrende, schwingende Zeit
erfüllt den Raum, macht leicht was schwer ist
und schwer, was leicht uns erscheint 
wird groß im Schauen, in Andacht und Staunen. 


Dunkelgrün

Dunkelgrün, der Wald steht still
Wolkenzug darüber
Getreide schwingt im Sommerwind

Dazwischen Dächer, Mauerwerk
etwas von Zinnober, Englischrot
im Schatten starker Eichen

Auf der Höhe greifen
silberhelle Arme nach dem Wind
Mühlen mahlen Strom und Zeit.


Der Garten am Nachmittag

Die feierliche Ruhe des Sonntagmorgen
die Lust der spätberufenen Aufsteher
das Gefühl heiterer Langsamkeit
von Zeitentrückung, dem Luxus eines
gedehnten Frühstücks. Im Ohr verweht 
das ferne Läuten der Kirchturmglocken.

Die Sonne verkürzt zu Mittag die Schatten
den Blumen und Tieren zur Freude .
Die Vögel verkünden eine Pause, 
der wir gerne folgen, betäubt von
den Genüssen des zu üppigen Mahls.

Die Katze tut es ihnen gleich, Nichts-tun
ist keine Schande, wenn man weiß warum
Es ist das Wechselgeld dieser
verträumten Stunden, aus denen ich 
unter der großen Esche langsam erwache
neben mir das Buch, das der Müdigkeit
nicht zu trotzen vermochte.

Nun folgt ungerufen aber willkommen
der Spaziergang in der Natur, es ist die Zeit
mit Käfern, Blumen und Faltern zu reden
verwundert wie immer über deren pure
Schönheit, die sie verschwenden um uns zu
gefallen. Glück, in sich ruhend wie reines Gold.

Die Rabenkrähen sehen es ähnlich, rufen
Kra-kra-kra von der Tanne, die Spatzen 
überlegen, ob eine dritte Brut zu schaffen sei
unter dem Himmelsdach jagen sirr-sirr-sirr
die Segler akrobatisch dahin. 


Notizen aus Allihies 2016

1.
Vom Atlantik rauschen die Reste amerikanischer Hurricans heran
Viel feuchte, warme Luft, die den Blick auf die Landschaft
im Nebel ersäuft, den Schafen, den Gannets und mir zum Verdruß.

Im dunklen Schatten dichter Regenschauer liegen nun die
gegenüberliegenden Berge, donnernde Brandungsgischt davor.
Den Strand auf und abgehen, Federn, Taue, Muscheln, tote Vögel.

2.
Die Shags lassen sich nicht stören, tauchen weg und wieder auf
verwundert ob der Beiden, die vom hohen Sand hinunterrennen
mutig in die Brandung springen, aus dem Leben neue Kraft gewinnen.

Der Fischer und der Engländer machen ihre Boote klar, laufen aus
bevor es noch ungemütlicher wird. Oben im Hügelgrün ein Laut,
ein Flug, ein Vogelruf. Der Curlew hat seinen Auftritt.

3.
Schreitet wie ein Scherenschnitt, der gebogene Schnabel sucht
und findet, was ihm taugt. Nicht weit davon die seltenen Choughs
das rotfüßige Krähenpaar. Beobachtungen, die man nicht vergißt.

Gegen alle Vorhersagen der allfälligen Wetterberichte sind jetzt ferne
Lichter von einzelnen Häusern, hin und wieder vom Paß kommende
Wagen zu sehen, der Wind hat dem Nebelspuk ein Ende bereitet.

4.
Jetzt wird man an den Küsten erkennen, daß auch wir wieder mitspielen.
Seltsam: wie schnell im Nebel Gewißheiten gegen Vermutungen
getauscht werden und Zweifel wachsen.

Die Dunkelheit kommt mit rotvioletten Farben daher, die Zwischenwelt
der Dämmerung scheint auf, das Zwielicht aus blauen Ahnungen,
letztem Leuchten am Horizont, ehe alles hinunterfährt, die Sterne uns retten.

5.
Was jetzt geschieht ist nur zu vermuten. Auf den Weiden schnauben
die Kühe, Schafe und Kälber. Nebel bleib fern, wir mögen dich nicht,
der du uns die Sonne, gar den Mond noch stiehlst, wir trauen dir alles zu.

Im Pub Gestrandete. Seit heute, seit gestern, wer weiß. Sie stärken sich.
Eine Gruppe Männer. Auf dem Wild Atlantic Way. Amerikaner, harte Kerle
gewohnt sich mit den Fahrrädern gegen den Wind zu stemmen.

6.
Im Salon redet eine laute Männerstimme auf zwei junge Mädels ein.
Der Fisch ist excellent, das Guinnes hebt die Stimmung. So kann man
überleben. Das Signal des Leuchtturms fährt durch die Nacht.


Oper

In der Oper spielen sie „Tod in Venedig“.
Schon immer wollte ich mal nach Venedig
Aber auch nicht gleicht tot sein.

Vielleicht ist es ja ein Ort an dem sich leicht
Abschied nehmen läßt nach erfülltem Leben
Wie dieser Aschenbach, der nicht abreisen kann.

Ob in Hamburg oder Venedig, überall sehe ich
Die Schiffe von Visconti durch goldgetränkte
Kanäle fahren und Mahler spielt das Adagietto dazu.

Im Hafen der Hauch von Welt, Geschäften und Abenteuer.
Auflaufendes Wasser steht gegen den Ostwind, an Deck
der Fähre nach Finkenwerder wappnet man sich gegen die Kälte.

Zwei Riesenpötte begegnen sich, der Strom ist breit.
Achttausend Container nehmen Kurs auf die See
An Land ziehen die Villen dahin, ganz weiß im Grün.

Im Café sitzen die Träumer, blicken den Schiffen nach.
Alte Fahrensleute, Fremde, Einheimische. Kommen und Gehen.
Die Geschichten nehmen kein Ende. In der Oper Applaus.


Stimmen

Das Rauschen der Stimmen
was die Welt bewegt
heute, vielleicht auch morgen

Ich schalte es ab
was sie so reden
was ihnen wichtig ist

Die Spatzen am Haus
so rege beschäftigt
der Jungen freudiges Rufen

Die Amsel samt Jungen
holte der Marder
Glück und Unglück
so nah


Septembertag

Das Meer ist silbern jetzt
mit leichtem Hang zum Gold
und rauscht doch immerfort

Zu enden hier und dort
an steilem, schwarzen Fels
mit donnernder Gebärde

Dahinter dieser Streifen Land
grün und schön geschwungen
sieht ruhig diesem Schauspiel zu

Leichte Wolken kommen, gehen
und am Strand geht einer baden
and´re liegen hingestreckt im Sand

Der September-Sommer mag so
endlos weitergehen, doch jeder weiß
der Wind wird wieder drehen

Wildgeword´ne Regenwände
werden sich mit Macht entladen
das Land in graue Nebel legen

Genug davon, jetzt geht´s zum Tee
den Weg entlang mit Brombeerhecken
Schafe streifen munter über Wiesen
Stare fallen ein mit wunderbarem Sang.


Märchen

Sie waren so reich
und hatten ein Haus
ein Haus ganz allein

Sie aßen zu Mittag im Garten
sie tranken zu Abend den Wein
sie waren in Träumen gefangen
über die Nacht, das werden und sein

So ging es einige Jahre
lebten wohl und glücklich dabei
doch war es nicht wie im Märchen
denn die Zeit ging einfach vorbei.